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Mit der „Entdeckung der Gesellschaft“ und der Entstehung der Soziologie als „Pro-
blemwissenschaft“ wurden Zeitdiagnostik und Prognostik zum soziologischen Alltags-
geschäft. Der Anspruch der Soziologie, die Selbstaufklärung der Gesellschaft über sich
selbst zu fördern, führte mit dem zugleich diagnostizierten Befund, dass ‚Wandel‘ in
der modernen Gegenwart zur ‚Normalität‘ wird und soziale Ordnungen immerzu be-
droht sind, zu einem steigenden Bedarf an Zeitdiagnostik. Entsprechend finden sich
bei allen soziologischen Klassikern mit gesellschaftstheoretischem Anspruch immer
auch zeitdiagnostische Anteile. Stichworte wären hier bspw. „Entfremdung“ (Marx),
„Anomie“ (Durkheim), „Vermassung“ (Simmel) oder „Sinnverlust“ (Weber). Da in der
beschleunigten Gegenwart des „rasenden Stillstands“ (Virilio) aber „nichts so alt ist wie
die Zeitung von gestern“ (Deutsches Sprichwort) müssen beständig neue und aktuali-
sierte Zeitdiagnosen her, um der Nachfrage gerecht zu werden.
Daher wollen wir uns im Seminar:
(1) dem spezifisch modernen Verhältnis von Zeitdiagnostik und Soziologie nähern.
Dabei wollen wir die Spezifik des soziologischen Genres „Zeitdiagnosen“ unter-
suchen und Unterschiede zum Genre der „Gesellschaftstheorien“ diskutieren.
(2) in grober chronologischer Folge von Georg Simmels „Die Großstädte und das
Geistesleben“ (1903) bis zu Armin Nassehis „Muster“ (2019) mit ausgewählten
Texten beschäftigen, die entweder als „klassische“ Zeitdiagnosen Eingang in
den Kanon des soziologischen Wissens gefunden haben, oder gegenwärtig
stark diskutiert werden. Das Seminar orientiert sich dabei an der Vorlesung
„Theorien der Gesellschaft und des Sozialen“.
(3) wollen wir die Funktion des Genres der Zeitdiagnosen im soziologischen Feld
analysieren und der Frage nachgehen, ob die scharfe Unterscheidung von Zeit-
diagnosen und Gesellschaftstheorien überhaupt noch plausibel erscheint?
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